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Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung bei Gutscheinen

Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung bei Gutscheinen

Jurisprudence
Direkte Steuern

Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung bei Gutscheinen

A-2587/2020

Die Steuerpflichtige bezweckt die Organisation von Aktivitäten und Veranstaltungen. Im Oktober 2016 und Februar 2017 führte die ESTV eine Kontrolle betreffend die Steuerperioden 2011 bis 2015 durch. Nachdem in der Kontrolle unter anderem ein Bankkonto entdeckt wurde, das nicht in der Buchhaltung enthalten war und steuerbare Umsätze aufwies, brach die ESTV die Kontrolle ab und eröffnete mit Verfügung vom 27. Februar 2017 eine Strafuntersuchung gegen den Geschäftsführer der Steuerpflichtigen. Am 16. August 2017 erliess sie das Schlussprotokoll. Nachdem die Steuernachforderung aus den nicht verbuchten Umsätzen seitens der Steuerpflichtigen bestritten wurde, hielt die ESTV mit Verfügung vom 20. März 2019 an der ermessensweise ermittelten Steuernachforderung im Betrag fest.

Am 3. Mai 2019 erhob die Steuerpflichtige Einsprache gegen die von der ESTV erlassene Verfügung vom März 2019. Sie beantragte, die Verfügung sei aufzuheben und die Steuernachforderung neu festzusetzen. Dies begründete sie sinngemäss damit, die ESTV habe im Rahmen der Schätzung ihr Ermessen unterschritten, indem sie die über das fragliche Bankkonto vereinnahmten Umsätze aus dem Verkauf von Gutscheinen nicht geschätzt habe. Die MWSt falle erst bei der Einlösung dieser Gutscheine an, weshalb die Ermessenseinschätzung nur die effektiv eingelösten Gutscheine berücksichtigen dürfe.

Mit Einspracheentscheid vom April 2020 hiess die ESTV die Einsprache im Umfang teilweise gut, wies sie aber im Übrigen ab. Zur Begründung führte die ESTV aus, dass zwischen Wert- und Leistungsgutscheinen unterschieden werden müsse. Bei Wertgutscheinen falle die MWSt– in Übereinstimmung mit der Auffassung der Steuerpflichtigen – erst bei deren Einlösung an. Hingegen seien Leistungsgutscheine als Vorauszahlung zu qualifizieren, weshalb bei diesen die MWSt bereits bei Vereinnahmung des Entgelts geschuldet sei. Darum seien verkaufte, aber noch nicht eingelöste Leistungsgutscheine zu Recht in die Ermessenseinschätzung eingeflossen. Verfallene Leistungsgutscheine seien indessen ebenfalls aus der Ermessenseinschätzung entfernt worden. Die Steuerpflichtige erhebt dagegen mit der Begründung Beschwerde, für die mehrwertsteuerliche Qualifikation von Gutscheinen sei nicht massgebend, ob der Wert des Gutscheins – wie bei einem Wertgutschein – in einem Geldbetrag oder – wie bei den vorliegenden Leistungsgutscheinen – in einer möglichen Leistung ausgedrückt werde. Demnach sei die Ermessenseinschätzung auch aufgrund von verkauften, aber noch nicht eingelösten Leistungsgutscheinen zu reduzieren.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, beim Verkauf von Leistungsgutscheinen liege keine Vorauszahlung vor, weil die Leistung nicht konkret genug umschrieben und der Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht bestimmt oder bestimmbar seien. Einziger Unterschied sei, dass der Wert beim Wertgutschein in Schweizer Franken und beim Leistungsgutschein durch die Bezeichnung einer Aktivität genannt werde. In beiden Fällen müsse der Gutscheininhaber mit der Beschwerdeführerin in Kontakt treten und eine Buchung einer Aktivität zu einem bestimmten Zeitpunkt vornehmen (E. 4.1).

Nach Auffassung der ESTV setzt das MWStG nicht voraus, dass der Zeitpunkt des Verbrauchs bekannt oder der Verbrauch bereits erfolgt ist. Wert- und Leistungsgutscheine würden sich erheblich unterscheiden, da die Beschwerdeführerin bei einem Leistungsgutschein verpflichtet sei, die auf dem Gutschein genannte Aktivität zu erbringen, auch wenn zwischen dem Bezug und der Einlösung des Gutscheins die genannte Aktivität eine Wertsteigerung erfahren habe und zum Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins mehr kosten würde als bei dessen Kauf (E. 4.2).

Die Qualifikation der Umsätze aus dem Verkauf von Leistungsgutscheinen als Vorauszahlungen bedingt, dass insoweit ein mehrwertsteuerliches Leistungsverhältnis vorliegt, als dass u.a. die mehrwertsteuerliche Leistung bestimmt oder zumindest bestimmbar ist. Es ist also im Wesentlichen zu prüfen, ob sich die Beschwerdeführerin mit dem Verkauf von Leistungsgutscheinen zur Erbringung einer bestimmten oder zumindest bestimmbaren Leistung im mehrwertsteuerlichen Sinne verpflichtet hat (E. 4.3.1). Die Beschwerdeführerin hat sich zur Erbringung einer bestimmten Leistung im mehrwertsteuerlichen Sinne verpflichtet, sofern sie einer Drittperson die Einräumung eines bestimmten verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Werts in Erwartung eines Entgelts verspricht. Während vorliegend die Tatbestandselemente «an eine Drittperson» und «in Erwartung eines Entgelts» unbestritten erfüllt sind, müsse näher auf das Tatbestandselement «Einräumung eines – bestimmten oder zumindest bestimmbaren – verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wertes» eingegangen werden (E. 4.3.1.1).

Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass eine Vorauszahlung eine zukünftige Leistungserbringung auslöse, ohne dass ein weiteres Zutun des Leistungsempfängers notwendig ist. Bei den fraglichen Leistungsgutscheinen müsse dieser mit ihr in Kontakt treten und eine Buchung oder Reservierung vornehmen. Dieses Argument der Beschwerdeführerin verfängt nicht. Eine Vorauszahlung setzt lediglich eine bestimmte oder zumindest bestimmbare künftige Leistung (sowie ein dafür im Voraus bezahltes Entgelt) voraus, um die Steuerforderung entstehen zu lassen, was vorliegend erfüllt ist (E. 4.3.1.2). Das BVGr kommt deshalb zum Schluss, dass es sich sehr wohl um einen bestimmten, verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wert handelt.

Auch aus dem Vergleich zu den von ihr verkauften Wertgutscheinen kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Bei einem Wertgutschein besteht der eingeräumte wirtschaftliche Wert gerade nicht in einer klar bestimmten Aktivität, sondern in einem auf dem Wertgutschein bezeichneten Geldbetrag, den die Beschwerdeführerin anstelle von gesetzlichen Zahlungsmitteln zur Bezahlung von Aktivitäten akzeptiert. Der Wertgutschein entspricht deshalb einem Zahlungsmittel, das aufgrund der fehlenden Verbrauchsfähigkeit keine Leistung im mehrwertsteuerlichen Sinne darstellt (E. 4.3.1.3).

Demnach ergibt sich, dass die Steuerforderung bereits mit der Vorauszahlungsrechnungsstellung (gemäss Art. 40 Abs. 1 Bst. a MWStG) entstanden ist (E. 4.4.3). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die ESTV den Umsatz aus erwiesenermassen verkauften, aber noch nicht eingelösten Leistungsgutscheinen zu Recht in der Ermessenseinschätzung berücksichtigte. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und wird vollumfänglich abgewiesen.

iusNet StR 19.10.2021