iusNet

Steuerrecht > Rechtsprechung > Bund > Direkte Steuern > Gebundene Selbstvorsorge und Kleine Arbeitsentgelte Aus

Gebundene Selbstvorsorge und kleine Arbeitsentgelte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit

Gebundene Selbstvorsorge und kleine Arbeitsentgelte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit

Jurisprudence
Direkte Steuern

Gebundene Selbstvorsorge und kleine Arbeitsentgelte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit

2C_916/2020

Bei den kantonalen Einkommenssteuern und bei der direkten Bundessteuer wird das Reineinkommen der Steuerpflichtigen ermittelt, indem von den gesamten Einkünften die mit der Einkommenserzielung zusammenhängenden Aufwendungen (Gewinnungskosten) und die allgemeinen Abzüge abgezogen werden (Grundsatz: Art. 9 Abs. 1 StHG und Art. 25 DBG; allgemeine Abzüge: Art. 9 Abs. 2 StHG; Art. 33 und 33a DBG). Der vorliegende Streit dreht sich um den allgemeinen Abzug für Beiträge an die gebundene Selbstvorsorge gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. e StHG und Art. 33 Abs. 1 lit. e DBG.

Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, die von der Beschwerdeführerin geleisteten Beiträge an die gebundene Selbstvorsorge von total Fr. 1'100,-- seien vollumfänglich abzugsfähig. Die Ehefrau sei keiner Vorsorgeeinrichtung angeschlossen und könne daher für Beiträge an die gebundene Selbstvorsorge gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung vom 13. November 1985 über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3; SR 831.461.3) i.V.m. Art. 9 Abs. 2 lit. e StHG und Art. 33 Abs. 1 lit. e DBG jährlich bis 20% Prozent ihres Erwerbseinkommens, jedoch höchstens bis 40% des oberen Grenzbetrages gemäss Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) vom Einkommen abziehen.

Das BGr hält fest, dass gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. e DBG Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von vertraglichen Ansprüchen aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge bis zu einem bestimmten Betrag von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden können. Nach Art. 1 Abs. 1 BVV 3 gelten als anerkannte Vorsorgeformen im Sinne von Art. 82 BVG die gebundene Vorsorgeversicherung bei Versicherungseinrichtungen und die gebundene Vorsorgevereinbarung mit Bankstiftungen. Die individuelle gebundene Vorsorge mittels dieser beiden Vorsorgeformen wird in der "Dreisäulen-Konzeption" als Säule 3a bezeichnet (E.3.1).  

Was die Grenze der Abzugsberechtigung angeht, verweist das BGr auf Art. 7 Abs. 1 BVV 3; dieser legt die obere Grenze der Abzugsberechtigung bei den direkten Steuern fest. Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende können ihre Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen in folgendem Umfang von ihrem Einkommen abziehen: bis jährlich 8% des oberen Grenzbetrages nach Art. 8 Abs. 1 BVG, wenn sie einer Vorsorgeeinrichtung nach Art. 80 BVG angehören (lit. a; sog. kleine Säule 3a); bis jährlich 20% des Erwerbseinkommens, jedoch höchstens bis 40% des oberen Grenzbetrages nach Art. 8 Abs. 1 BVG, wenn sie keiner Vorsorgeeinrichtung nach Art. 80 BVG angehören.

Das vereinfachte Abrechnungsverfahren gemäss Art. 37a DBG und Art. 11 Abs. 4 StHG ist durch das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über die Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (BGSA; SR 822.41) eingeführt worden.

Die Steuer für kleine Arbeitsentgelte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ist "ohne Berücksichtigung der übrigen Einkünfte, allfälliger Berufskosten und Sozialabzüge" zu erheben, d.h. vom Arbeitgeber als Quellensteuer abzuführen. "Damit ist die Einkommenssteuer abgegolten" (Art. 37a Abs. 1 DBG letzter Satz, Art. 11 Abs. 4 StHG zweiter Satz). Das BGr prüft, ob damit - wie die Beschwerdeführer vertreten - die Berücksichtigung weiterer Abzüge, so insbesondere des Abzugs für Beiträge an die Säule 3a (Art. 7 Abs. 1 lit. b BVV 3 i.V.m. Art. 33 Abs. 1 lit. e DBG bzw. Art. 9 Abs. 2 lit. e StHG) vorbehalten sein soll oder ob mit der Vorinstanz davon auszugehen ist, dass mit Bezug auf Einkünfte, für welche im vereinfachten Abrechnungsverfahren Quellensteuer entrichtet wird, überhaupt, d.h. auch im späteren ordentlichen Veranlagungsverfahren, keine Abzüge zu berücksichtigen sind.  

Nach eingehender Prüfung kommt das BGr zum Schluss, dass angesichts der Bedeutung des Aufbaus einer gebundenen Selbstvorsorge bei Fehlen des beruflichen Vorsorgeschutzes es sich rechtfertigt, BGSA-Einkünfte bei der Berechnung des gemäss Art. 82 BVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b BVV 3 abzugsfähigen sog. grossen Säule 3a-Beitrags zu berücksichtigen. Das habe auch deshalb zu gelten, weil die Auslegung von Art. 37a DBG bzw. Art. 11 Abs. 4 StHG hinsichtlich des Umfangs des Abgeltungscharakters der Quellensteuer auf BGSA-Einkünften kein eindeutiges Resultat ergibt (E.5.4).

Die Beschwerde wird damit gutgeheissen.

iusNet StR 25.10.2022