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Eintritt der Verjährung im ausländischen Besteuerungsverfahren ist kein Hindernis für die Steueramtshilfe

Eintritt der Verjährung im ausländischen Besteuerungsverfahren ist kein Hindernis für die Steueramtshilfe

Jurisprudence
Internationales Steuerrecht

Eintritt der Verjährung im ausländischen Besteuerungsverfahren ist kein Hindernis für die Steueramtshilfe

2C_662/2021, 2C_663/2021

Am 13. August 2019 sowie am 2. Oktober 2019 richtete die schwedische Steuerbehörde je ein Amtshilfeersuchen an die ESTV. Die ersuchende Behörde stützte sich dabei jeweils auf Art. 27 DBA CH-SE. Sie verlangte in den beiden Ersuchen Informationen betreffend A.

In den Amtshilfeersuchen führte die ersuchende Behörde aus, es laufe eine Untersuchung in Bezug auf das steuerbare Einkommen von A, einem schwedischen Staatsbürger mit Wohnsitz in Schweden. Untersucht würden die Steuerperioden vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2017, wobei die Verjährung für die Steuerperiode 2013 am 31. Dezember 2019 eintreten werde.

 

Die Vorinstanz erwägt, die ersuchende Behörde habe in ihrem Amtshilfeersuchen vom 13. August 2019 darauf hingewiesen, dass die Verjährung für die Steuerperiode 2013 am 31. Dezember 2019 eintreten werde, weshalb das Ersuchen dringlich zu behandeln sei. In der Zwischenzeit sei die Verjährung betreffend die Steuerperiode 2013 eingetreten und es sei entsprechend davon auszugehen, dass auch betreffend die Steuerperiode 2014 die Verjährung am 31. Dezember 2020 eingetreten sei. Die ersuchende Behörde habe im Amtshilfeverfahren keinerlei Angaben gemacht, aus welchen explizit oder implizit hervorgegangen wäre, dass die erbetenen Informationen trotz Eintritts der Verjährung noch von Nutzen seien. Deshalb sei die voraussichtliche Erheblichkeit der Informationen für die Steuerperiode 2013 und 2014 zu verneinen (vgl. E. 3.4 der angefochtenen Urteile). (E. 5.3)

Ob eine über das Amtshilfeverfahren erlangte Information im ausländischen Steuerverfahren tatsächlich von Bedeutung ist, hängt im Wesentlichen vom Steuer- und Verfahrensrecht des ersuchenden Staats ab (E. 5.4). Dies bedeute nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung indes nicht, dass sich der ersuchte Staat im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zum innerstaatlichen Steuer- und Verfahrensrecht zu äussern hat. Für die voraussichtliche Erheblichkeit reicht vielmehr aus, dass die ersuchten Informationen für eine Verwendung im ausländischen Verfahren als potenziell geeignet erscheinen. Soweit das nationale Verfahrensrecht des ersuchenden Staats einer Verwertung der im Amtshilfeverfahren ersuchten Informationen entgegenstet, hat die betroffene Person dies im Grundsatz vor den Behörden des ersuchenden Staats geltend zu machen (E. 5.4.1).

Der Grundsatz gelte namentlich auch für die Frage der Verjährung nach dem ausländischen Recht des ersuchenden Staats. Würde die ESTV als ersuchte Behörde derartige Fragen abklären, griffe sie dem Steuerverfahren im ersuchenden Staat vor, was mit dem Zweck des Amtshilfeverfahrens nicht vereinbar sei. Nicht massgebend sei, dass der Hinweis auf den möglichen Eintritt der Verjährung von der ersuchenden Behörde selbst stamme, zumal weder spezifische Abklärungen getroffen worden seien noch sonstige Anhaltspunkte bestehen würden, dass die verlangten Informationen für den ersuchenden Staat nicht mehr von Nutzen seien. Dass die potenziell eingetretene Verjährung im schwedischen Erkenntnisverfahren nicht mehr vorgebracht werden könne, würden die Beschwerdegegner nicht geltend machen. Damit obliegt es A, den Einwand der Verjährung gegebenenfalls im innerstaatlichen Verfahren des ersuchenden Staats vorzubringen. Ferner ist nicht ersichtlich und von A nicht dargetan, dass im Zusammenhang mit der vorliegenden Verjährungsthematik im ausländischen Verfahren elementare Verfahrensgrundsätze verletzt würden oder anderweitig schwere Mängel bestehen könnten (E. 5.4.2).

Für dieses Ergebnis sprechen gleichermassen prozessuale Überlegungen: Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Amtshilfeersuchen im Zeitpunkt ihrer Einreichung zu beurteilen (E. 5.5).

Vorliegend hat die ersuchende Behörde die Ersuchen am 13. August 2019 und 2. Oktober 2019 eingereicht. Daraus ergibt sich, dass im Zeitpunkt der Einreichung der Amtshilfeersuchen eine vernünftige Möglichkeit bestand, dass sich die angefragten Angaben für den genannten Zweck - die Steuerfestsetzung - als erheblich erweisen (E. 5.5.1). Die Vorinstanz hat ausser Acht gelassen, dass die ersuchende Behörde in beiden Ersuchen kein Datum nannte, ab dem die ersuchten Informationen nicht mehr nützlich sein würden. Das entsprechende Feld ist mit einem Strich versehen und bewusst nicht leer gelassen worden. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass die ersuchende Behörde die verlangten Informationen ohne zeitliche Beschränkung für nützlich erachtet. Überdies steht der Hinweis auf die Verjährung der Steuerperiode 2013 nicht im Abschnitt des Ersuchens, in welchem die ersuchende Behörde dieses begründet und erläutert. Die (potenzielle) Verjährung wird lediglich zusätzlich erwähnt, damit die ESTV das Ersuchen dringlich behandelt (E. 5.5.2).

Die Übermittlung von ersuchten Informationen in Anwendung von Art. 27 DBA CH-SE ist nach Auffassung des BGr sowie gestützt auf das völkerrechtliche Vertrauensprinzip zulässig, solange im Zeitpunkt der Einreichung der Amtshilfeersuchen nicht offenkundig erscheint, dass für einen ersuchten Zeitraum, die ausländische Verjährung bereits eingetreten ist. Dies gilt auch, wenn die ersuchende Behörde von sich aus auf den allenfalls künftigen Eintritt der Verjährung hinweist, sich zugleich aber aus dem Ersuchen ergibt, dass die verlangten Informationen weiterhin von Nutzen sind (E. 5.6).

iusNet StR 27.05.2022