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Verkauf eines Aktienmantels

Verkauf eines Aktienmantels

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Direkte Steuern

Verkauf eines Aktienmantels

2C_749/2019

Die A SA ist eine Gesellschaft mit Sitz in Genf. Seit ihrer Errichtung am 6. Juli 2005 und bis zum 22. April 2016 war die Gesellschaft unter der Firma "B SA" im Handelsregister eingetragen. Im April 2016 hat sie ihren Gesellschaftszweck leicht angepasst.

Mit Vertrag vom 24. August 2015 verkaufte C, der damals auch Geschäftsführer der A SA war, sämtliche Aktien an der A SA zum Preis von CHF 20'000 an D. Er übertrug auch seine Forderung gegenüber der A SA sowie die Marken und die Kundenkartei. Im Übrigen verpflichtete er sich, keine Kunden mehr zu kontaktieren und keine Aktivitäten mehr durchzuführen, welche die A SA konkurrenzieren könnten. Seit Oktober 2015 ist E Geschäftsführer der Gesellschaft.

In ihrer Steuererklärung 2015 wies die A SA einen Jahresgewinn von CHF 18'781 und einen Verlustvortrag von CHF 148'480 aus. Die KStV GE veranlagte die A SA, indem sie das Jahr in zwei Perioden aufteilte. In der ersten Periode vom 1. Januar bis 23. August 2015 berücksichtigte die KStV GE einen steuerbaren Gewinn von CHF 0 unter Berücksichtigung der Verlustvorträge der sieben vorangegangenen Steuerperioden. Für den Rest des Jahres besteuerte sie die A SA mit einem steuerbaren Gewinn von CHF 18'781 und verweigerte den Abzug von Verlustvorträgen.

Der gegen den Einspracheentscheid eingereichte Rekurs wurde gutgeheissen. Der von der KStV GE dagegen eingereichte Rekurs wurde sodann vom VGr GE gutgeheissen. Nach Ansicht des VGr GE lag ein Verkauf eines Aktienmantels vor, weshalb die Berücksichtigung der Verlustvorträge der sieben vorangegangenen Steuerperioden ausgeschlossen ist.

Daraufhin erhob die A SA beim BGr eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

Der Abzug von Vorjahresverlusten ist im Falle eines Verkaufs eines Aktienmantels trotz zivilrechtlicher Identität der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Begriff des Steuerpflichtigen ist nach Auffassung des BGr in einem wirtschaftlichen Sinne zu verstehen (Urteile 2C_1088/2014 vom 26. Oktober 2015, E. 4.1; 2C_686/2013 vom 17. April 2014, E. 2.2; 2C_351/2011 vom 4. Januar 2012, E. 3.4; 2A.133/2000 vom 29. September 2000, E. 2c/bb). Aus steuerrechtlicher Sicht wird ein solcher Verkauf als Liquidation der bisherigen Gesellschaft angesehen, worauf die Errichtung einer neuen Gesellschaft folgt. Es liegt daher ein Wechsel des Steuersubjekts vor.

Die Übertragung eines Aktienmantels liegt vor, wenn der Verkauf wirtschaftlich zum selben Ergebnis führt wie die Liquidation der bisherigen und die Errichtung einer neuen Gesellschaft. Das BGr ruft die Indizien in Erinnerung, welche es erlauben, das Vorliegen eines Aktienmantels festzustellen. Dies sind insbesondere der Wechsel auf Stufe der Geschäftsführung, eine Sitzverlegung, eine Änderung des Gesellschaftszwecks oder eine Änderung der Firma der Gesellschaft (E. 5.3).

Im vorliegenden Fall hält das BGr fest, dass die Aktiven der A SA zum Zeitpunkt des Verkaufs nur aus Liquidität bestand hat und sie seit 2011 praktisch keine Aktivitäten mehr hatte. Zudem wurde ein neuer Geschäftsführer ernannt, die Firma geändert, und der statutarische Zweck leicht angepasst. All diese Elemente sprechen nach Ansicht des BGr für die Qualifikation als Verkauf eines Aktienmantels (E. 5.4).

Im Übrigen weist das BGr die Argumente der A SA zurück, wonach die bisherige Tätigkeit der Bewirtschaftung der immateriellen Ressourcen (Kundenkartei und Marken) fortgesetzt wurde. Nach Ansicht des BGr ist das einzige Sachverhaltselement, welches eine gewisse Kontinuität beweist, die Präsenz des gleichen Verwaltungsrats. Dieser Umstand ist jedoch zu relativieren, da dieser Verwaltungsrat in den Steuererklärungen von 2011 bis 2013 als Liquidator der A SA bezeichnet und in den Steuererklärungen 2014 und 2015 nicht mehr erwähnt wurde. Das BGr vertritt daher die Auffassung, dass dieses Sachverhaltselement allein im vorliegenden Fall nicht ausreicht, um die zahlreichen Sachverhaltselemente, welche auf eine faktische Liquidation und einen Verkauf eines Aktienmantels hinweisen, aufzuwiegen (E. 5.4).

Infolgedessen kommt das BGr zum Schluss, dass das VGr GE den Einspracheentscheid der KStV GE zu Recht geschützt hat, wonach im Bereich der direkten Bundessteuer das Jahr 2015 in zwei Steuerperioden aufzuteilen ist, und der Abzug von Verlustvorträgen aus vorangegangenen Jahren nach dem Verkaufsdatum verweigert wird (E. 5.5). Das Gleiche gilt für die Kantons- und Gemeindesteuern (E. 6). Die Beschwerde der A SA wird daher sowohl bezüglich der direkten Bundessteuer als auch betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern abgewiesen.

iusNet StR 29.03.2020