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Verwertbarkeit von Beweismitteln im Steuerverfahren

Verwertbarkeit von Beweismitteln im Steuerverfahren

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Verwertbarkeit von Beweismitteln im Steuerverfahren

2C_260/2020

Nachdem das KStA GE feststellte, dass BA in Genf eine Wohnung mietete und einer Erwerbstätigkeit nachging, leitete sie gegen BA ein Nachsteuerverfahren sowie ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung betreffend die Steuerperioden 2001 bis 2007 ein. Am 31. Oktober 2012 dehnte das KStA GE die betreffenden Steuerperioden auf die Jahre 2008 bis 2011 aus und legte das Steuerdomizil von BA im Kt GE fest.

Im Rahmen des kantonalen Beschwerdeverfahrens hiess das kantonale VGr die Beschwerde teilweise gut und verwies den Fall zur weiteren Untersuchung an die erste Instanz zurück. In der Folge erhielt das kantonale VGr anonym eine Kopie des Polizeiberichtes vom 11. April 2019, der im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die Ehegatten A erstellt worden war. Dieser betraf insbesondere Tatsachen im Zusammenhang mit der Beschäftigung einer nicht in der Schweiz angemeldeten Hausangestellten. Dieser Bericht wurde an die erste Instanz weitergeleitet. Diese wiederum eröffnete den Bericht sämtlichen in das betreffende Steuerverfahren involvierten Parteien.

Die Ehegatten A beantragten, der Polizeibericht sei als Beweismittel im Steuerverfahren nicht zuzulassen. Dieser Antrag wurde abgewiesen. Im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens zwischen den Behörden wurde der Übermittlung einer Kopie des Original-Polizeiberichts und des Protokolls der Anhörung der Hausangestellten von der Staatsanwaltschaft i.S.v. Artikel 101 Absatz 2 StPO stattgegeben.

In einer prozessleitenden Verfügung, datiert vom 29. November 2019, liess das erstinstanzliche Gericht die Kopie des Polizeiberichts als Beweismittel zu. Die Ehegatten erhoben dagegen Beschwerde beim kantonalen VGr, welches die Einlegung eines Rechtsmittels für unzulässig erklärte.

Das BGr weist zunächst darauf hin, dass die Frage, welche Beweismittel in Steuerverfahren zugelassen werden, sich nach den Regeln des Verwaltungsverfahrens richteten (vgl. BGE 139 II 7 E. 5). Art. 10A des Genfer VwVG statuiere ein Verbot an Behörden anonymen Denunziationen nachzugehen. Das BGr stellt daher fest, dass der Polizeibericht unrechtmässig beschafft wurde. Das Schicksal unrechtmässig erlangter Beweismittel ist durch das Genfer VwVG allerdings nicht geregelt. Die zu diesem Punkt entwickelten Regeln im Strafverfahren sind nach Auffassung des BGr nicht ohne Weiteres auf das Verwaltungsverfahren anwendbar (vgl. BGE 139 II 95 E. 3.1) (E. 5.2).

Die Rechtsprechung anerkennt ein grundsätzliches Verbot der Verwendung von unrechtmässig erlangten Beweismitteln, welches sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren im Sinne von Art. 29 Abs. 1 und 6 EMRK ableitet (vgl. BGE 143 II 443 E. 6.3; 139 II 95 E. 3.1; 139 II 7 E. 6.4.1). Das BGr weist jedoch darauf hin, dass der Ausschluss solcher Beweismittel keine absolute Geltung erlangt und der Richter vielmehr eine Interessenabwägung vornehmen muss. Einerseits ist das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung und andererseits das Interesse des Betroffenen am Verbot der Zulassung der entsprechenden Beweismittel abzuwägen (vgl. BGer 143 II 443 E 6.3; 139 II 443 E. 6.3; 139 II 5 E. 6.4.1; 139 II 6 E. 6.4.1; 139 II 7 E. 6.4.1). Dabei sind Beweismitteln, die unter Verletzung der Privatsphäre erlangt wurden, nur mit grosser Zurückhaltung zuzulassen (E. 5.2).

Das BGr lässt die Frage offen, ob bei offensichtlicher Unverwertbarkeit eines Beweismittels zwingend das Vorliegen eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils anzunehmen ist. Es weist darauf hin, dass vorliegend das VGr den streitgegenständlichen Polizeibericht auf zwei verschiedene Wege beschafft hat. Die Beschwerdeführer haben vor BGr nicht mehr vorgebracht, dass der auf dem Wege der Rechtshilfe erlangte Bericht als rechtswidrig erlangtes Beweismittel anzusehen ist, welches in analoger Anwendung von Art. 141 StPO unverwertbar sei. Die blosse mögliche Rechtswidrigkeit eines Beweismittels an sich steht einer Zulässigkeit im Verfahren nicht entgegen (vgl. BGer 144 IV 127 E. 1.3.4). Die Tatsache, dass der fragliche Bericht auf dem Wege des Rechtshilfeverfahrens erlangt wurde, bedeute nicht, dass er von vornherein offensichtlich rechtswidrig ist (E. 5.3).

Das BGr kommt zum Schluss, dass die Beschwerdeführer in Bezug auf die beantragte Nichtzulassung des anonym erhaltenen Polizeiberichtes als Beweismittel im Steuerverfahren kein Rechtsschutzinteresse haben. Die Vorinstanz konnte daher ohne Willkür die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführer hätten nicht dargetan, wie ihnen in diesem Verfahrensstadium durch die blosse Tatsache, dass der streitige Bericht im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurde, ein nicht wiedergutzumachender Nachteil entstanden sein sollte (E. 5.4).

Das BGr weist auch die Beschwerde wegen Verletzung ihrer Privatsphäre (Art. 13 BV) zurück. Zwar ist unstrittig, dass die im Polizeibericht enthaltenen Informationen in die Privatsphäre der von den strafrechtlichen Ermittlungen betroffenen Personen fallen (vgl. Urteil 4A_108/2017 vom 30. Mai 2017, E. 1.3). Die Beweislast für das Vorliegen eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils liegt aber beim Beschwerdeführer, es sei denn, dieser Nachteil ist von Beginn an offensichtlich. Im vorliegenden Fall bringen die Beschwerdeführer dieses Argument zum ersten Mal vor BGr vor. Im Übrigen ist ein solcher Nachteil auch nicht offensichtlich (E. 6.2). Die Beschwerde wird abgewiesen.

iusNet StR 30.11.2020