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Verweigerte Rückerstattung der Verrechnungssteuer

Verweigerte Rückerstattung der Verrechnungssteuer

Rechtsprechung
Verrechnungssteuer

Verweigerte Rückerstattung der Verrechnungssteuer

9C_701/2022

Mit Schreiben vom 7. Januar 2021 erhob die ESTV auf geldwerte Leistungen der B. AG (nachfolgend: AG) der Jahre 2017 und 2018 von insgesamt Fr. 204'319.- an ihren Aktionär A.A. die Verrechnungssteuer.  

Mit Schreiben vom 16. Februar 2021 beantragten die Eheleute, A.A. und B.A., beim KStA AG, Sektion Verrechnungssteuer und Wertschriftenbewertung, die Rückerstattung der von der AG am 11. Januar 2021 bezahlten Verrechnungssteuer von insgesamt Fr. 71'511.65.  

Mit Entscheiden vom 25. Februar 2021 verweigerte das KStA AG, Sektion Verrechnungssteuer und Wertschriftenbewertung, die Rückerstattung der auf den geldwerten Leistungen von Fr. 204'319.- erhobenen Verrechnungssteuer der Jahre 2017 und 2018 mit der Begründung, dass gemäss neuem Art. 23 Abs. 2 VStG die Verwirkung nur dann nicht eintrete, wenn die Einkünfte in der Steuererklärung (bloss) fahrlässig nicht angegeben worden seien. Bei offensichtlich während Jahren verbuchtem Privataufwand (geschäftsmässig nicht begründete Spesen) bzw. nicht verbuchten Erträgen (privat vereinnahmte Rechnungen) könne typischerweise nicht von einem Versehen gesprochen werden, weshalb die Rückerstattung nicht gewährt werden könne. 

Natürliche Personen haben Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer, wenn sie bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung im Inland Wohnsitz hatten (Art. 22 Abs. 1 VStG). Vorliegend sei unbestritten, dass die Beschwerdeführer bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung Wohnsitz im Inland hatten und nach genannter Bestimmung grundsätzlich Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer haben (E. 2.1).  

Wer mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte oder Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen, entgegen gesetzlicher Vorschrift der zuständigen Steuerbehörde nicht angibt, verwirke den Anspruch auf Rückerstattung der von diesen Einkünften abgezogenen Verrechnungssteuer (Art. 23 Abs. 1 VStG). Vorliegend sei unbestritten, dass infolge Aufrechnung keine ordentliche Deklaration der mit Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte durch die Beschwerdeführer gemäss Art. 23 Abs. 1 VStG stattgefunden habe (E. 2.2).

Nach Art. 23 Abs. 2 VStG verwirke der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht, wenn die Einkünfte oder Vermögen in der Steuererklärung fahrlässig nicht angegeben worden seien und in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungs-, Revisions- oder Nachsteuerverfahren nachträglich angegeben würden (lit. a); oder von der Steuerbehörde aus eigener Feststellung zu den Einkünften oder Vermögen hinzugerechnet würden (lit. b). Dasselbe gelte, wenn der betreffenden Person gar kein Verschulden vorgeworfen werden könne (E. 2.3.)

Die Beschwerdeführer hätten hinsichtlich der Verschuldensfrage gerügt , dass "vor allem [...] das jeweils zitierte objektive Fehlverhalten [dem Beschwerdeführer] auch subjektiv nachgewiesen [...] werden" müsse. Da das BGr bei der Verschuldensfrage gemäss Art. 23 Abs. 2 VStG auf die strafrechtlichen Begriffe von Vorsatz und Fahrlässigkeit abstelle, müsse das Vorliegen eines Vorsatzes durch ein Strafverfahren mit einer rechtskräftigen Verurteilung erwiesen sein (E. 2.4.1).  

In Bezug auf den objektiven Tatbestand habe die Vorinstanz zusammenfassend festgestellt, dass der Beschwerdeführer Gründer, Alleinaktionär, Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer der AG sei. Zudem sei er mit seiner Einzelfirma C. (nachfolgend: Einzelfirma) selbständig tätig. Im Rahmen einer Buchprüfung habe das Steueramt betreffend die AG unter anderem festgestellt, dass dem privaten Kontokorrent des Beschwerdeführers in den Jahren 2017 und 2018 Debitoren direkt gutgeschrieben worden seien, welche im Umsatz der AG fehlen würden. Die fraglichen Rechnungen hätten Zahlungen für Leistungen betroffen, welche von der AG in Rechnung gestellt worden und auf deren Konto eingegangen seien. Das Steueramt habe die Leistungen als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Beschwerdeführer in genannter Höhe für die genannten Jahre qualifiziert und habe diese bei der AG aufgerechnet (E. 2.4.2.1).

Indem der Beschwerdeführer selber vorgebracht habe, es handle sich bei den auf sein Kontokorrent verbuchten Debitorenrechnungen "eindeutig um Honorare" für von ihm bzw. seiner Einzelfirma erbrachte Leistungen, habe die Vorinstanz unter anderem in nachvollziehbarer Weise beantwortet,  wie sie die aufgebrachte Rüge zur subjektiven Verschuldensfrage würdige und dass damit mit hinreichender Sicherheit feststehe, dass dem Beschwerdeführer die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der gemachten Angaben bewusst gewesen sei. Weiter habe die Vorinstanz in Bezug auf die subjektive Verschuldensfrage ihre Auffassung bekräftigt und gezeigt, dass dem Beschwerdeführer - auch als Gründer, Alleinaktionär, Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer - bewusst gewesen sein müsse, dass Honorare bzw. entgeltliche Leistungen (einkommens-) steuerliche Konsequenzen hätten. Zumindest sei die Annahme, dass Zahlungen für erbrachte Arbeitsleistungen (einkommens-) steuerfrei seien, selbst für Laien lebensfremd. Die hiergegen vorgebrachten Argumente des Beschwerdeführers würden diese Vermutung nicht entkräften. Zusammengenommen sei nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz hinsichtlich der geldwerten Leistungen (auch teils als "Honorare" oder privat vereinnahmte Rechnungen bezeichnet) nicht von einer fahrlässigen Nichtdeklaration gemäss Art. 23 Abs. 2 VStG ausgegangen sei. Dass hierzu eine vorgängige rechtskräftige Verurteilung im Rahmen eines Strafverfahrens nötig sei, sei bereits verfahrensmässig ausgeschlossen (E. 2.4.4.2). 

iusNet StR 27.09.2023