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Keine Wohnstätte am Arbeitsort

Keine Wohnstätte am Arbeitsort

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Direkte Steuern

Keine Wohnstätte am Arbeitsort

2C_303/2020

A kam 2007 aus beruflichen Gründen von Deutschland in die Schweiz. Zusammen mit seiner Partnerin bewohnte er eine 5.5-Zi-Whg in der Stadt U/ZH. Während des Jahres 2009 arbeitete er als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit Sitz in V, an deren Gesellschaftskapital er ebenfalls beteiligt war. Das dabei erzielte Erwerbseinkommen unterlag der Quellensteuer. Ab März 2009 mietete er in W/ZG Räumlichkeiten mit dem Verwendungszweck "Privat/Geschäftlich". Im Verlaufe des Jahres 2009 wechselte auch der Sitz der Gesellschaft an die Adresse dieser Räumlichkeiten. Per 18. Dezember 2009 meldete sich A auch privat dort an. Alsdann meldete er sich am 30. Juli 2010 wieder an der vormaligen Adresse in der Stadt U/ZH an.

Die KStV ZG teilte dem KStA ZH mit, dass sie für die Steuerperiode 2009 die Steuerhoheit für den nachträglich ordentlich zu veranlagenden, bisher quellensteuerpflichtigen A beanspruche. Es habe bei Zweifeln über die Wohnsitzverlegung von der Stadt U/ZH nach W/ZG die entsprechenden Abklärungen vorzunehmen und gegebenenfalls einen Steuerhoheitsentscheid zu fällen. Mit Vorentscheid vom 23. Juli 2015 beanspruchte das KStA ZH für die Steuerperiode 2009 die Steuerhoheit für den Kt ZH und die Stadt U/ZH. Die von AG dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos.

A gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 22. April 2020 ans BGr.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die kantonale Steuerhoheit für die Steuerperiode 2009. Dabei ist anerkannt, dass der Beschwerdeführer Wohnsitz im Kt ZH hat. Umstritten ist indes, ob dieser Wohnsitz das Hauptsteuerdomizil ist oder ob sich dieses zufolge leitender Stellung im Kt ZG befindet.

Die Vorinstanz hatte festgestellt, A habe in W/ZG keine Wohngelegenheit nachgewiesen, in der er sich über mehrere Tage hätte aufhalten können. Den gemieteten Räumlichkeiten fehle es an der Qualität einer eigenen Wohnstätte. Folglich fehle es für die Anknüpfung des Hauptsteuerdomizils am Arbeitsort in rechtlicher Hinsicht bereits an einer geeigneten Wohnstätte (E. 3.1). Bei dieser Sach- und Rechtslage könne offengelassen werden, ob der Beschwerdeführer überdies als leitender Angestellter im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu betrachten sei. 

A machte geltend, die Wohnung in W/ZG habe drei Räume umfasst sowie Zugang zu einer Waschgelegenheit und Toilette gehabt. Als Person in leitender Anstellung liege sein Hauptsteuerdomizil im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung - trotz Lebensmittelpunkt am Familienort im Kt ZH - am Arbeitsort im Kt ZG (E. 3.2). 

Einen steuerrechtlichen Wohnsitz im Kt ZH hat eine Person, wenn sie sich dort mit der Absicht des dauernden Verbleibens aufhält oder wenn ihr das Bundesrecht einen besonderen gesetzlichen Wohnsitz zuweist (vgl. § 3 Abs. 2 StG ZH und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 StHG) (E. 4.1). 

Nach ständiger Rechtsprechung des BGr zu Art. 127 Abs. 3 BV gilt als steuerrechtlicher Wohnsitz einer Person der Ort, an dem sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet (E. 4.2).  Dieser Ort bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen. Der steuerrechtliche Wohnsitz ist demzufolge nicht frei wählbar (E. 4.2.1).

Für die Begründung eines neuen steuerrechtlichen Wohnsitzes - oder vorliegend eines neuen Hauptsteuerdomizils - müssen zwei Merkmale erfüllt sein: Ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Nach der Rechtsprechung kommt es auch diesbezüglich nicht auf den inneren Willen, sondern darauf an, welche Absicht objektiv erkennbar ist (E.4.2.3).

Wie die Vorinstanz zu Recht zum Schluss gelangt, kann offenbleiben, ob A eine unselbständige Erwerbstätigkeit in leitender Stellung ausgeübt hat. Aus den für die Besteuerung von A massgebenden Umständen ergibt sich nicht, dass in der Steuerperiode 2009 ein Hauptsteuerdomizil im Kt ZG begründet worden ist (E.5).  Die von A gemieteten Räumlichkeiten im Kt ZG weisen in steuerrechtlicher Hinsicht nicht die Eigenheiten auf, die eine Absicht des dauernden Verbleibens nahelegen. Ob die Wohnstätte als für Wohnzwecke geeignet bezeichnet werden kann, ist zwar abhängig von den subjektiv bestimmten Bedürfnissen der darin lebenden Person. Indessen ist aus steuerrechtlicher Sicht erforderlich, dass die Wohnstätte am Arbeitsort in objektiv erkennbarer Weise einen dauernden Aufenthalt ermöglicht, auch wenn dieser Aufenthalt bloss vorübergehender Natur ist. Dies ist vorliegend offenkundig nicht gegeben, da es an der wesentlichen Wohninfrastruktur fehlt (E. 5.2.1). Ausserdem verlangt die von A angerufene Rechtsprechung, dass die steuerpflichtige Person am Arbeitsort über eine eigene Wohnung verfügt oder zumindest eine Dienstwohnung zur freien Verfügung hat. Nachdem die Gesellschaft ihren Sitz ebenfalls in die gemieteten Räumlichkeiten verlegt hat, handelt es sich nicht mehr um eine eigene Wohnung oder um eine Dienstwohnung zur freien Verfügung (E.5.2.2). 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, da sich der innere Wille nicht in objektiver Weise materialisiert hat. Die kantonale Steuerhoheit für die Steuerperiode 2009 ist dem Kt ZH als Hauptsteuerdomizil zuzuweisen.

iusNet StR 28.09.2020