Vereinbarkeit der Praxis zum «wirtschaftlichen Neubau» mit Totalsanierungen, Um- oder Ausbauten von neu erworbenen Liegenschaften
Vereinbarkeit der Praxis zum «wirtschaftlichen Neubau» mit Totalsanierungen, Um- oder Ausbauten von neu erworbenen Liegenschaften
Vereinbarkeit der Praxis zum «wirtschaftlichen Neubau» mit Totalsanierungen, Um- oder Ausbauten von neu erworbenen Liegenschaften
9C_677/2021
Die Steuerpflichtigen erwarben im Jahr 2018 im Kanton Jura ein stark renovierungsbedürftiges Bauernhaus und sanierten es in den Jahren 2018 und 2019 umfassend. In der Steuererklärung deklarierten sie unter anderem Liegenschaftsunterhaltskosten für die Liegenschaft im Jura im Umfang von rund CHF 50'000. Die Steuerverwaltung des Kantons Freiburg (Wohnsitzkanton der Steuerpflichtigen) liess für die Liegenschaft im Kanton Jura lediglich Unterhaltskosten im Umfang von rund CHF 19'000 zu. Sie begründete dies damit, dass wertvermehrende Auslagen nicht in Abzug gebracht werden können. Kosten für den Teilabbruch, die Auskernung und die Neugestaltung stellten andere Kosten bzw. einen Mehrwert dar und könnten bei der Einkommenssteuer nicht abgezogen werden.
Die Steuerpflichtigen rügen einerseits, dass es sich um Kosten für denkmalpflegerische Arbeiten gem. Art. 32 Abs. 3 DBG handelte und deshalb vollständig zum Abzug zuzulassen seien, ungeachtet dessen, ob es sich um werterhaltende oder wertvermehrende Arbeiten handelt.
Kosten denkmalpflegerischer Arbeiten sind steuerlich abziehbar, wenn der Steuerpflichtige aufgrund gesetzlicher Vorschriften, im Einvernehmen mit den Behörden oder auf deren Anordnung hin die Arbeiten vorgenommen hat, sofern die Arbeiten nicht subventioniert sind. Dieser Abzug soll den Denkmalschutz fördern und verfolgt damit ein ausserfiskalisches Ziel. Damit der Abzug gewährt wird, müssen jedoch vier kumulative Voraussetzungen erfüllt sein: 1) Konnex zwischen den Kosten und den denkmalpflegerischen Arbeiten, 2) die Arbeiten wurden aufgrund gesetzlicher Vorschriften sowie 3) im Einvernehmen mit den oder auf Anordnung der Behörden vorgenommen und 4) die Kosten sind nicht subventioniert.
Die Vorinstanz hat für das BGr verbindlich festgestellt, dass die Jurassischen Behörden keine Renovierungsarbeiten angeordnet hätten, auch wenn die Steuerpflichtigen in Bezug auf den Umbau mit den Behörden in Kontakt standen und sich diese zum Umbau fachspezifisch äusserten. Darin sei aber keine behördliche Mitwirkung zu sehen. Auch wenn die Liegenschaft in einen geschützten Perimeter liegt, sei die Liegenschaft selbst (oder Teile davon) nicht geschützt. Entscheidend sei, dass die aufgewendeten Kosten durch die Renovierung der Liegenschaft verursacht wurden und diese Renovation insgesamt nicht der Restauration oder der Instandstellung und damit nicht dem Zweck des Denkmalschutzes dienten. Entsprechend können die Liegenschaftskosten nicht gem. Art. 32 Abs. 3 DBG abgezogen werden.
Weiter prüft das BGr ob die Kosten gem. Art. 32 Abs. 2 DBG als Unterhaltskosten abgezogen werden können. Unterhaltskosten können steuerlich abgezogen werden, sofern die Aufwendungen den konkreten Nutzungswert einer Liegenschaft erhalten, instand stellen oder ersetzen. Davon abzugrenzen sind wertvermehrende Aufwendungen, welche neue zusätzliche Werte schaffen. Die Abgrenzung erfolgt aufgrund objektiv-technischer Kriterien. (E. 4.1)
Die Vorinstanz lehnte den Abzug einerseits mit der Begründung ab, dass die Steuerpflichtigen keinen Liegenschaftsertrag deklarierten und auch nicht von einer vorübergehenden Nichtnutzung gesprochen werde. Das BGr weist diese Argumentation zurück, denn es sei typisch für die Instandstellung einer neu erworbenen Liegenschaft, dass während der Instandstellung kein Ertrag generiert werden kann.
In einer zweiten Begründungslinie verweigerte die Vorinstanz den Abzug mit Verweis auf die bundesgerichtliche Praxis zum «wirtschaftlichen Neubau». Bei einer Totalsanierung sowie einem völligen Um- oder Ausbau seien die Kosten einkommenssteuerlich gesamthaft nicht abziehbar. Die Steuerpflichtigen machten bezüglich des wirtschaftlichen Neubaus geltend, dass die Praxis in der Kritik stehe, da sie insbesondere den klaren Wortlaut von Art. 32 Abs. 2 DBG missachte.
Unter der früher geltenden Dumont-Praxis konnten Aufwendungen für Unterhalt, welcher unmittelbar nach dem Erwerb einer Liegenschaft vorgenommen wurde, grundsätzlich nicht vom Einkommen abgezogen werden. Art. 32 Abs. 2 DBG wurde per 1. Januar 2010 dahingehend geändert, dass «die Kosten für die Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften» abgezogen werden können. Die bis dahin geltende Dumont-Praxis sollte damit abgeschafft werden. Ratio legis der Gesetzesänderung war, dass alle Kosten, die dazu dienen, einen früheren Zustand einer Liegenschaft wieder herzustellen, als Unterhaltskosten abgezogen werden können.
Im Jahr 2014 verweigerte das BGr den vollständigen Abzug von Unterhaltskosten mit Verweis auf die Praxis zum «wirtschaftlichen Neubau» und begründetet dies damit, dass, wenn – auch nach Abschaffung der Dumont-Praxis – durch eine Renovation oder einen Umbau der Miet- oder Pachtertrag einer Liegenschaft gesteigert werde oder die Liegenschaft einer neuen Nutzung zugeführt werde, die Kosten nicht abzugsfähig seien, da diese nicht dazu dienen, den bisherigen vertrags- oder nutzungsgemässen Zustand zu erhalten, sondern darauf abziele, die Einkommensquellen zu verbessern. (E. 4.4)
Das BGr kommt im vorliegenden Fall zum Schluss, dass an der bisherigen Praxis nicht festgehalten werden kann, denn der Gesetzgeber wollte mit den Änderungen im Jahr 2010 die wirtschaftliche Betrachtungsweise in allen Fällen zugunsten einer objektiv-technischen Betrachtungsweise zurückdrängen. Auch der «wirtschaftliche Neubau» darf davon nicht ausgenommen sein, da dieser eben einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise entspringt.
Das BGr hält ausdrücklich fest, dass für alle Arbeiten an einer neu erworbenen Liegenschaft – wie bei allen anderen Liegenschaftskosten – individuell aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters abzuklären ist, ob sie dazu dienen, einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen, mithin werterhaltend wirken.
Entsprechend wurde die Beschwerde der Steuerpflichtigen teilweise gutgeheissen und zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.