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Frage nach der einheitlichen Leistung bei einem Adventskalender

Frage nach der einheitlichen Leistung bei einem Adventskalender

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Frage nach der einheitlichen Leistung bei einem Adventskalender

A-2686/2020

Die A GmbH bezweckt gemäss HR-Eintrag unter anderem die Produktion und den Vertrieb von Müesli und ist seit 2009 mehrwertsteuerlich in der Schweiz registriert. Im Rahmen einer MWST Revision teilte die ESTV mit, dass es sich bei einem Adventskalender um ein unteilbares Ganzes handle, der Kalender im Vordergrund stünde und dieser somit zum Normalsatz zu versteuern sei. Die A GmbH war der Meinung, dass beim Adventskalender mit Müeslidosen zwei selbständige Leistungen vorliegen, die nur aus Marketinggründen zusammen verkauft werden, weshalb deren Trennung keine Veränderung der beiden einzelnen Leistungen zur Folge hat. Da die Müeslidosen mehr als 70 % des Gesamtentgeltes ausmachen, sind die Umsätze für den Adventkalender zum reduzierten Steuersatz von 2.5 % steuerbar. Selbst wenn eine Gesamtleistung angenommen würde, gelange (ebenfalls) der reduzierte Satz zur Anwendung. Der Kunde kaufe vorliegend nämlich Müesli und nicht einen Adventskalender. Demgegenüber ist die ESTV der Meinung, dass der Kalender und die Müesli wirtschaftlich betrachtet so eng zusammengehören, dass sie ein unteilbares Ganzes bildeten. Da für den Konsumenten das Müesli im Vordergrund steht, sei zum reduzierten Steuersatz abzurechnen.

Das BVGr führt aus, dass bei einer Gesamtleistung die einzelnen Leistungen sachlich, zeitlich und vom wirtschaftlichen Gehalt her in einer derart engen Verbundenheit stehen müssen, dass sie untrennbare Komponenten eines Vorgangs verkörpern, der das gesamte Handeln umfasst. Der Leistungskomplex kann demnach nicht in Einzelleistungen zerlegt werden, die jede für sich betrachtet einen wirtschaftlich sinnvollen Zweck erfüllen, oder wenn die Gesamtleistung durch eine solche Zerlegung zerstört, beschädigt oder verändert würde. Der streitbetroffene Adventskalender vereint die Lieferung eines «weihnachtlich bedruckten Kartonkalenders» sowie die Lieferung von 24 in einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli», welche einen Überraschungseffekt vermitteln. All diese Komponenten bilden integrierende Bestandteile der Lieferung des ganzen Leistungspakets «Müesli-Adventskalender». Eine Lieferung des bedruckten Kartonkalenders unabhängig von den in einzelne Portionenbecher verpackten Müesli ist nicht möglich, da man jedes der 24 Kartontürchen aufbrechen und die Müeslidosen heraustrennen müsste. Entgegen den Behauptungen der A GmbH, der Adventkalender sei zwar für die Müeslidosen konzipiert worden, könne aber auch mit anderen Gegenständen gefüllt werden, kann man den aufgebrochenen Kalender nicht mehr einzeln verkaufen. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung der hier massgebenden Gruppe von Leistungsempfängern - den Konsumenten – wird das angebotene gesamte Leistungspaket «Müesli-Adventskalender» durch die Trennung zerstört und kann nicht mehr als solches verkauft werden. Zumindest wird es sich bei dem aufgebrochenen Adventskalender und den einzelnen Müeslidosen im Vergleich zum Leistungspaket nicht mehr um dieselben Leistungen handeln. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, hätte ein leerer Adventskalender nicht mehr die gleiche Bedeutung, wie ein mit Müesli gefüllter Kalender, da das typische Überraschungsmoment entfällt. Der Charakter der einzelnen Leistungskomponenten würde im Vergleich zum Leistungspaket verändert. Der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» kann somit immer nur im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den in 24 einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli» geliefert werden. Folglich handelt es sich bei dem Kalender nicht um einen Gegenstand, der eine einzelne, selbständige mehrwertsteuerliche Leistung bilden kann.

Die einzelnen Teile stehen in einer derart engen Verbundenheit, dass sie untrennbare Komponenten der Gesamtleistung verkörpern. Sowohl der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» als auch die 24 in einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli» stellen unabdingbare Wesensbestandteile des «Müesli-Adventskalenders» dar (E. 2.3.4). Da somit gerade keine Sachgesamtheit bzw. Leistungskombination vorliegt, stösst der Hinweis der A GmbH, die Müesli machten wertmässig mehr als 70 % des Gesamtentgeltes aus, ins Leere (E 3.2.3).

Die A GmbH ist der Ansicht, bei dem Kalender handle es sich lediglich um eine originelle Verpackung. Gemäss Art. 19 Abs. 4 MWSTG werden Nebenleistungen, namentlich Umschliessungen und Verpackungen, steuerlich gleichbehandelt wie die Hauptleistung. Die Annahme einer solchen unselbständigen Nebenleistung, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, setzt gemäss ständiger Rechtsprechung kumulativ voraus, dass sie (i) im Vergleich zur Hauptsache nebensächlich ist, (ii) mit der Hauptleistung wirtschaftlich eng zusammenhängt, (iii) die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und (iv) üblicherweise mit der Hauptleistung vorkommt. Daraus erhellt, dass jene Verpackungen, obwohl sie in Abs. 4 namentlich als Nebenleistungen genannt werden, bei welchen die Umschliessung für den verpackten Gegenstand unüblich ist, vorbehalten bleiben. Vorliegend kommt der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» ohne Zweifel nicht üblicherweise mit den in einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli» vor (E. 3.2.4.1).

Es bleibt schliesslich zu klären, welche der Eigenschaften der vorliegenden Gesamtleistung im Vordergrund steht (E. 3.2.5). Bei einem (handelsüblichen) Adventskalender stehen die 24 Türchen und deren täglicher Überraschungseffekt im Vordergrund. Früher befanden sich hinter den Türchen häufig Bilder, wobei sich heute dahinter oft Schokolade oder andere «Füllungen» verstecken. In erster Linie werden solche Adventkalender wegen der 24 Türchen bzw. dem Überraschungseffekt gekauft, und die Frage, womit der Adventkalender «gefüllt» ist, kommt (grundsätzlich) erst an zweiter Stelle (E. 3.2.5.2).

Unbestrittenermassen bezweckt die A GmbH primär den Verkauf von Müesli und bietet lediglich in der Adventzeit Kalender an. Greift der Konsument – dessen Sicht massgebend ist – im Laden der A GmbH jedoch nach dem streitbetroffenen Adventskalender, möchte er sich bewusst überraschen lassen bzw. jemandem die Adventszeit verschönern. Die Müesli, welche vorliegend als «Füllung» dienen, stehen gemäss BVGr dabei erst an zweiter Stelle. Will der Konsument primär Müesli kaufen, kann er diese einzeln erwerben und dabei erst noch die Sorten bestimmen oder gar selber zusammenstellen. Folglich kann nicht gesagt werden, das Wesen des «Müesli-Adventskalenders» bestehe in der Lieferung des Müeslis. Insgesamt steht vorliegend der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» mit seinem Überraschungseffekt im Vordergrund. Quantitative Argumente können die genannten qualitativen Argumente durchaus stützen, vermögen eindeutige qualitative Überlegungen jedoch grundsätzlich nicht umzustossen (E. 3.2.5.2). Die Beschwerde wird daher vom BVGer abgewiesen.

iusNet StR 28.03.2022