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Sachgerechtigkeit bei Aufrechnungen durch die ESTV

Sachgerechtigkeit bei Aufrechnungen durch die ESTV

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Sachgerechtigkeit bei Aufrechnungen durch die ESTV

A-6253/2018

Ein international tätiger Versicherungs- und Rückversicherungskonzern (Beschwerdeführerin) bezweckt hauptsächlich den Erwerb, das Halten und den Verkauf von Beteiligungen an Unternehmen und hält dementsprechend Beteiligungen an verschiedenen Tochtergesellschaften im In- und Ausland und geniesst das Holdingprivileg. Beschwerdeführerin fungiert als Gruppenvertretung einer MWST Gruppe. Weitere Gruppenmitglieder sind u.a. zwei in der Schweiz ansässige Versicherung- und Rückversicherungsgesellschaften.

Im Herbst 2015 führte die ESTV bei der Steuerpflichtigen eine Kontrolle betreffend die Steuerperioden 2010 bis 2014 durch. Dabei stellte sie unter anderem fest, dass das Hauptbuch teilweise unvollständig und die erforderliche Prüfspur zum Teil nicht vorhanden bzw. nicht gewährleistet gewesen sei. Zudem seien die administrativen und buchhalterischen Erfordernisse an die Ausgestaltung der Buchhaltung im Rahmen der Gruppenbesteuerung nicht eingehalten worden. So seien Gruppeninnenumsätze teilweise nicht gebucht und auch keine separaten Konten oder Steuercodes verwendet worden. Die Steuerpflichtige habe ihren inländischen Gruppenmitgliedern keine Gruppeninnenumsätze für gemeinsam bei Dritten bezogene Aufwendungen fakturiert. Auch eine Vorsteuerabzugskorrektur infolge von Gruppeninnenumsätzen sei nicht vorgenommen worden. Beispielsweise sah sich die ESTV gezwungen, Dienstleistungsbezüge aus dem Ausland zu schätzen, da die Buchhaltung des Gruppenmitgliedes nicht vollständig gewesen sei.

In Bezug auf die Vorsteuerabzugskorrektur bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die ESTV scheine davon auszugehen, dass sie nach Belieben die ganze Vorsteuerabzugskorrekturmethode der Beschwerdeführerin festlegen könne, weil Letztere auf gewissen Eingangsrechnungen zu viele Vorsteuern geltend gemacht habe. Diese Auffassung sei offensichtlich falsch. Die Beschwerdeführerin sei frei in der Wahl der Methode zur Vorsteuerabzugskorrektur. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die seitens der ESTV vorgenommene Vorsteuerabzugskorrektur sachgerecht ist.

Gemäss gängiger Judikatur steht der ESTV bei der Wahl der anzuwendenden Methode bei Vornahme einer Vorsteuerkorrektur ein weiter Ermessensspielraum zu. Vom Gericht ist nur zu prüfen, ob die gewählte Methode sachgerecht ist und ob sich die Verwaltung bei der vorgenommenen Vorsteuerabzugskorrektur innerhalb ihres Ermessensspielraums bewegt hat. Ist eine Vorsteuerabzugskorrektur durch die ESTV zu Recht erfolgt und erscheint diese nicht bereits im Rahmen der durch das BVGr mit der gebotenen Zurückhaltung vorzunehmenden Prüfung als pflichtwidrig, obliegt es der steuerpflichtigen Person darzutun und nachzuweisen, dass die vorgenommene Korrektur offensichtlich nicht sachgerecht ist (E 2.4.3).

Ferner führt das BVGr aus, dass die Buchführung das lückenlose und planmässige Aufzeichnen sämtlicher Geschäftsvorfälle einer Unternehmung auf der Grundlage von Belegen sei. Liegen keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vor (Verstoss gegen die formellen Buchführungsvorschriften) oder stimmen die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht überein (Verstoss gegen die materiellen Buchführungsregeln), so schätzt die ESTV die Steuerforderung nach pflichtgemässem Ermessen ein und die Festsetzung der Steuerforderung erfolgt mit einer Einschätzungsmitteilung (E 2.8.2). Sind die Voraussetzungen für eine Ermessenstaxation erfüllt, so ist die ESTV nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, eine solche nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen. Die ESTV hat dabei alle Umstände zu beachten, von denen sie Kenntnis hat. Wohl hat die Steuerbehörde eine vorsichtige Schätzung anzustellen, doch ist sie nicht verpflichtet, im Zweifelsfall die für die steuerpflichtige Person günstigste Annahme zu treffen. Im Gegenteil soll vermieden werden, dass Steuerpflichtige, die ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, am Ende bessergestellt werden als solche, die es tun. Die Verletzung von Verfahrenspflichten dürfe sich nicht lohnen (E 2.8.3). Ist die ESTV verpflichtet, eine Schätzung nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen, hat sie diejenige Schätzungsmethode zu wählen, die den individuellen Verhältnissen im Betrieb der steuerpflichtigen Person soweit als möglich Rechnung trägt, auf plausiblen Annahmen beruht und deren Ergebnis der wirklichen Situation möglichst nahe kommt (2.8.4). Das BVGr nimmt nur dann eine Korrektur einer zulässigerweise erfolgten Schätzung vor, wenn diese erhebliche Fehler aufweist bzw. offensichtlich unrichtig ist (E 2.8.6).

Das BVGr ist der Meinung, die ESTV habe die Schätzungen unter Wahrung des pflichtgemässen Ermessens vorgenommen, weshalb diese nicht zu beanstanden sind (E 4.3.2). Die Ausführungen der ESTV sind plausibel; die Schätzungen erscheinen sachlich begründet und stützen sich unbestrittenermassen auf Vergleichswerte innerhalb der Gruppe sowie auf weitere Erfahrungszahlen stützen.

Die Beschwerde wurde abgewiesen.

iusNet StR 25.02.2020