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Vertrauensschutz in Steuerrulings

Vertrauensschutz in Steuerrulings

Kommentierung
Direkte Steuern

Vertrauensschutz in Steuerrulings

2C_152/2017, 2C_179/2017

1. Sachverhalt

Die Swiss International Air Lines AG (nachfolgend: Swiss) hat ihren Sitz in BS und unterhält Zweigniederlassungen in Le Grand-Saconnex/GE und Kloten/ZH. Als internationales Luftfahrtunternehmen unterhält es zu diesem Zweck weitere Betriebsstätten in diversen Ländern.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2010 informierte Swiss die Steuerverwaltung des Kt BS, dass sie plane, die in ihrem Eigentum befindliche Marke "SWISS" an eine neuzugründende Tochtergesellschaft mit Sitz in BS zu verkaufen und anschliessend gegen Lizenzgebühren zurück zu lizenzieren. Diese Lizenzgebühren sollten nach der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden und den Kosten der Tochtergesellschaft zuzüglich eines Gewinnaufschlags von 2% entsprechen. In diesem Schreiben wurde sodann die steuerliche Behandlung, welche diese Transaktion für die Tochtergesellschaft und für Swiss selbst haben würde, geschildert. Namentlich sollte Swiss den aus dem Verkauf resultierenden Veräusserungsgewinn mit Vorjahresverlusten verrechnen können und sollten die Lizenzkosten steuerlich abzugsfähige Betriebskosten darstellen. Schliesslich bat Swiss die KStV BS das Schreiben als Zeichen ihres Einverständnisses zu unterzeichnen. Die KStV BS genehmigte den Rulingantrag am 15. Juli 2010. In der Folge gründete die Swiss  eine Tochtergesellschaft und führte die Transaktion wie angekündigt durch.

Die KStV BS und das KStA ZH einigten sich Anfang 2013, dass das KStA ZH die Veranlagung der direkten Bundessteuer 2011 vornehmen würde. Gemäss dieser Einigung der Steuerbehörden sollte der Kt ZH ab der Steuerperiode 2011 ausserdem auch für die kantonalen Gewinn- und Kapitalsteuern als Hauptsteuerdomizil gelten.

Das KStA ZH führte eine Buchprüfung für die Steuerperioden 2010 und 2011 durch und nahm verschiedene Anpassungen vor, u.a. hielt es nur einen Teil der entrichteten Lizenzgebühren für geschäftsmässig begründet.

Die dagegen erhobene Einsprache der Swiss hiess das KStA ZH hinsichtlich der direkten Bundessteuer teilweise gut, da es das von der KStV BS unterzeichnete Ruling nunmehr für verbindlich erachtete. Dementsprechend wurden die Lizenzgebühren für die direkte Bundessteuer vollumfänglich zum Abzug zugelassen. Hinsichtlich der Staats- und Gemeindesteuern wies das Steueramt die Einsprache jedoch ab.

Swiss führte gegen den Einspracheentscheid Rekurs und Beschwerde beim StRKGr ZH, welches die Rechtsmittel abwies. Auf Antrag der ESTV hin rechnete das StRGr den Teil der Lizenzgebühren, den das KStA ZH für nicht geschäftsmässig begründet hielt, ausserdem auch bei der direkten Bundessteuer wieder auf.

Das VGr ZH hiess die erhobene Beschwerde teilweise gut, wies die Beschwerde bezüglich der Lizenzgebühren aber ab.

Mit Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt das KStA ZH, das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der direkten Bundessteuer und der Staats- und Gemeindesteuern aufzuheben und den Entscheid des StRKGr zu bestätigen.  

Auch die Swiss ficht das Urteil der Vorinstanz an und beantragt, das Urteil sei aufzuheben. In prozessualer Hinsicht beantragt sie, ihre Beschwerdeverfahren mit jenen des Steueramts zu vereinigen.

Die ESTV beantragt Gutheissung der Beschwerden des KStA ZH und Abweisung der Beschwerden von Swiss.

2. Bindungswirkung eines «Rulings»

2.1. Grundsätzliches

Die Swiss rügt, das VGr ZH habe zu Unrecht die Bindungswirkung des "Rulings" der KStV BS hinsichtlich der direkten Bundessteuer verneint. Die teilweise Aufrechnung der im Jahr 2011 an ihre Tochtergesellschaft bezahlten Lizenzgebühren missachte das berechtigte Vertrauen in den Bestand des Rulings und verletze den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 i.V.m. Art. 9 BV) (E. 2.1).

Bei sogenannten "(Tax) Rulings" handelt es sich um Rechtsauskünfte der Steuerbehörden. Sie haben nach schweizerischem Recht keinen Verfügungscharakter, können die Behörden aber in ihrer rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts binden (BGE 141 I 161 E. 3.1 S. 164). Der Anspruch auf Schutz des Vertrauens in ein Ruling besteht und überwiegt das öffentliche Interesse an der richtigen Anwendung des materiellen Steuerrechts, wenn a) sich die betreffende Auskunft auf eine konkrete, den Rechtsuchenden berührende Angelegenheit bezieht und b) von einer Behörde erteilt wurde, die dafür zuständig war oder die der Rechtssuchende aus zureichenden Gründen für zuständig hielt, c) der Rechtsuchende die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne Weiteres erkennen konnte und d) er im Vertrauen auf die Auskunft Dispositionen getroffen hat, die er nicht ohne Nachteil rückgängig machen kann. Die Bindungswirkung der Auskunft entfällt, wenn e) die gesetzliche Ordnung zwischen dem Zeitpunkt der Auskunft und der Verwirklichung des Sachverhalts geändert hat (BGE 143 V 341 E. 5.2.1 S. 346; 141 I 161 E. 3.1 S. 164 f. mit Hinweisen) (E. 2.2). 

Unbestritten ist, dass die Voraussetzungen a) und e) erfüllt sind. Die übrigen Voraussetzungen der Bindungswirkung wurden vom BGr sodann genauer erörtert.

2.2. Zuständigkeit

Das VGr ZH war der Auffassung, dass das KStA ZH für die Veranlagung der direkten Bundessteuer zuständig war und das Ruling deshalb mangels Zuständigkeit nicht verbindlich gewesen sei (E. 2.3).

Die Zuständigkeit für die Erteilung eines "Rulings" liegt bei der Veranlagungsbehörde. Für die Veranlagung juristischer Personen, die aufgrund persönlicher Zugehörigkeit der direkten Bundessteuer unterworfen sind, sieht Art. 105 Abs. 3 DBG vor, dass die Veranlagungszuständigkeit jenem Kanton zufällt, in welchem die juristische Person am Ende der Steuerperiode oder Steuerpflicht ihren Sitz oder den Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung hat (E. 2.3.1).

Art. 105 Abs. 3 DBG lässt kein Vorrang des Sitzes oder des Orts der tatsächlichen Verwaltung der juristischen Personen entnehmen. Die beiden Anknüpfungsmerkmale stehen vielmehr alternativ nebeneinander. Im Konfliktfall ist es daher am Sitzkanton und am Kanton der tatsächlichen Verwaltung, sich über den Veranlagungsort zu verständigen (vgl. Art. 111 Abs. 1 DBG). Werden sich die beiden Kantone nicht bereits von sich aus einig, haben sie nach Art. 108 Abs. 1 DBG die ESTV einzuschalten (E. 2.3.7).

Die Swiss hatte in der Steuerperiode 2011 ihren Sitz im Kt BS, während sich der Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung im Kt ZH befand. Die Steuerverwaltungen der beiden Kantone haben sich Anfang 2013 dahingehend verständigt, dass ab der Steuerperiode 2011 das KStA ZH die Veranlagung der direkten Bundessteuer besorgt. Dies ist unter den Beteiligten unbestritten. Die Zuständigkeit für die Veranlagung der direkten Bundessteuer für die Steuerperiode 2011 lag somit beim KStA ZH und nicht bei der KStV BS (E. 2.3.8). 

2.3. Vertrauen auf Zuständigkeit

Das BGr stellt fest, dass Swiss aufgrund der Mitteilung Anfang 2013 keine Möglichkeit blieb, ihr Verhalten anzupassen bzw. ein Ruling vom KStA ZH einzuholen. Die Unzuständigkeit der KStV BS für die Steuerperiode 2011 kann ihr deshalb nicht zum Nachteil gereichen. Sie hatte zureichende Gründe für die Annahme der Zuständigkeit der KStV BS (E. 2.4).

2.4. Treffen von Dispositionen basierend auf dem Ruling

Das BGr stellt weiter fest, dass es sich bei den Lizenzzahlungen für das Jahr 2011 um Dispositionen handelte, welche die Swiss im Vertrauen auf den Bestand des Rulings vorgenommen hat. Diese Dispositionen liessen sich nach der Mitteilung der Veranlagungszuständigkeit des KStA ZH Anfang 2013 nur schon wegen der Massgeblichkeit der Handelsbilanz und des Periodizitätsprinzips nicht mehr ohne Nachteil rückgängig machen. Die Transaktion wäre entweder gar nicht oder zu gänzlich anderen Konditionen durchgeführt worden, wäre der Swiss von Anfang an bewusst gewesen, dass sie ab dem Jahre 2011 die Lizenzgebühren nur noch in sehr reduziertem Ausmass vom steuerbaren Gewinn abziehen können würde. Ebenso hätten die Steuerpflichtige und ihre Tochtergesellschaft die Höhe der Lizenzgebühren aller Wahrscheinlichkeit nach noch in der Steuerperiode 2011 angepasst, wären sie nicht erst Anfang 2013 über die Unzuständigkeit der Basler Steuerbehörden informiert worden (E. 2.5.2).

2.5. Erkennbarkeit der falschen Auskunft   

Nach Auffassung des BGr wäre es im Sinne des VGr ZH konsistent gewesen, die Lizenzgebühren in Abhängigkeit vom Umsatz der Steuerpflichtigen zu bestimmen, statt an die Kosten anzuknüpfen. Für Swiss hätte diese inhaltliche Unrichtigkeit der Rechtsauskunft allerdings ohne Weiteres erkennbar sein müssen (E. 2.6).

Das Bewertungsgutachten, auf welches im Ruling verwiesen wurde und welches dem Ruling beigelegt war, äusserte sich nicht konkret zur Bemessung der Lizenzgebühren zwischen der Swiss und ihrer Tochtergesellschaft. Vielmehr thematisierte es lediglich die Höhe von Lizenzgebühren für vergleichbare Marken im Zusammenhang mit der Bewertung der Marke, welche die Steuerpflichtige an ihre Tochtergesellschaft verkaufte. Da dem Bewertungsgutachten keine konkreten Empfehlungen für die Bemessung der Lizenzgebühren entnommen werden konnten, genügte es, dass die Swiss das Bewertungsgutachten ihrem Rulingantrag beilegte, ohne den für die Bemessung der Lizenzgebühren gewählten Ansatz näher zu rechtfertigen. Da der im Ruling vertretene Ansatz ausserdem ebenfalls auf einer üblichen Methode basiert, lässt sich der KStV BS nicht vorwerfen, eine erkennbar unrichtige Auskunft gegeben zu haben, auf die sich die Steuerpflichtige in der Folge nicht hätte verlassen dürfen.

3. Vertrauensschutz bejaht

Nach Auffassung des BGr sind somit sämtliche Voraussetzungen für den Vertrauensschutz erfüllt, sodass sich die Swiss auf die im Ruling dargelegte steuerliche Behandlung für die Steuerperiode 2011 verlassen durfte. Wie es sich diesbezüglich mit späteren Steuerperioden verhält, brauchte nicht entschieden zu werden. Die Beschwerde von Swiss betreffend die direkte Bundessteuer ist in diesem Punkt gutzuheissen (E. 2.7).

Bezüglich der Staats- und Gemeindesteuer machte die Swiss vor BGr nicht mehr geltend, dass das Ruling der KStV BS bindende Wirkung entfaltet hätte.

4. Kommentierung

Ein Steuerruling ist eine verbindliche Auskunft der Steuerbehörde zur steuerlichen Behandlung eines geplanten, konkreten und steuerlich relevanten Sachverhaltes auf entsprechende Anfrage einer steuerpflichtigen Person. Nach ständiger Rechtsprechung des BGr entfalten auch unrichtige Auskünfte oder Zusicherungen durch Steuerbehörden nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Rechtswirkung, wenn die vom BGr entwickelten Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist allerdings entscheidend, dass der Sachverhalt im Rulingantrag umfassend und korrekt dargelegt wird.

Im vorliegenden Fall wurde das Steuerruling vom Kt BS gewährt. Erst nachdem die Swiss im Vertrauen auf den Bestand des Rulings Dispositionen getroffen hatte, einigten sich die KStV BS und das KStA ZH, dass das KStA ZH die Veranlagung der direkten Bundessteuer 2011 vornehmen würde. Nach Auffassung des VGr ZH war das Ruling mangels Zuständigkeit nicht verbindlich. Das BGr korrigierte diese Meinung zu Recht, da die Swiss keine Möglichkeit hatte, beim KStA ZH ein Ruling einzuholen, da sie die Dispositionen bereits getroffen hatte. Die Swiss hatte ausserdem genügend Gründe, um von der Zuständigkeit der KStV BS auszugehen.

Bezüglich Erkennbarkeit der falschen Auskunft stellt das BGr fest, dass die Swiss die vermeintliche Unrichtigkeit der behördlichen Auskunft nicht erkennen konnte, da der im Ruling vertretene Ansatz zur Festsetzung der Lizenzgebühren auf einer üblichen Methode basiert und das Bewertungsgutachten, auf welches im verwiesen wird, dem Rulingantrag beigelegt wurde.

Die Bestätigung, dass die Unzuständigkeit der KStV BS der Swiss nicht zum Nachteil gereichen kann, ist zu begrüssen und bestätigt den Vertrauensschutz in Steuerrulings.

iusNet StR 24.02.2020