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Die Ausscheidung von Kapitalanlageliegenschaften eines Vereins

Die Ausscheidung von Kapitalanlageliegenschaften eines Vereins

Rechtsprechung
Direkte Steuern

Die Ausscheidung von Kapitalanlageliegenschaften eines Vereins

2C_401/2020

Die Beschwerdeführerin, ein Verein mit Sitz im Kt BE, verfügt über einen grösseren Immobilienbestand in insgesamt 19 Kantonen. Grossmehrheitlich sind die Liegenschaften betrieblich genutzt, teilweise aber auch vermietet. In 18 Kantonen blieb die Veranlagung für die Steuerperiode 2015 unangefochten, gegen jene des Kt SG als letzte Veranlagung erhob die Beschwerdeführerin Einsprache. Mit der Beschwerde beim BGr beantragte die Beschwerdeführerin eine Anpassung des steuerbaren Kapitals in SG durch die Anwendung einer anderen Ausscheidungsmethode sowie eine Neuveranlagung der bereits rechtskräftigen Veranlagungen der übrigen Kantone. Die Beschwerde richtet sich insbesondere gegen das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung nach Art. 127 Abs. 3 BV und wurde durch das BGr gutgeheissen.

Gestützt auf das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung ist der Instanzenzug in einem Kanton vollständig bis zum BGr zu durchlaufen. Dadurch können auch bereits rechtskräftige Veranlagungsverfügen anderer Kantone angefochten werden (E.1.2.1). Hierfür muss die Beschwerdeführerin den Beschwerdeweg nicht in einem Kanton bestreiten, deren Veranlagung sie für unzutreffend hält (E.1.2.2).

Für die Vermögenssteuer hat der Liegenschaftskanton die Liegenschaft grundsätzlich zum Verkehrswert zu bewerten (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 StHG), selbst wenn der Steuerpflichtige die Liegenschaft im Geschäftsvermögen hält und dafür ein bestimmter Buch- bzw. Einkommenssteuerwert besteht. Das BGr schreibt den Kantonen keine konkrete Bewertungsmethode vor, sodass sie in der Ermittlung der Verkehrswerte praxisgemäss einigen Gestaltungsspielraum geniessen (E. 4.1.1).

Der einzelne Liegenschaftskanton ermittelt das für die Bemessung der Vermögenssteuer relevante innerkantonale Reinvermögen, indem er in einem ersten Schritt gestützt auf die amtlichen kantonalen Verkehrswerte der innerkantonalen Liegenschaften das steuerbare Bruttovermögen festlegt. In einem zweiten Schritt bestimmt er die eigene Repartitionsquote, d.h. den Anteil der innerkantonalen Liegenschaften zu Repartitionswerten an den Gesamtaktiven des Steuerpflichtigen mit Liegenschaften zu Repartitionswerten. Diese Repartitionsquote multipliziert der Liegenschaftskanton mit den gesamten Schulden des Steuerpflichtigen, um zum Schuldenanteil zu gelangen, den er vom innerkantonalen Bruttovermögen abziehen muss. Die Repartitionswerte sind also nur für die Verlegung der Schulden, nicht aber für die Bewertung der Aktiven von Bedeutung (E. 4.1.2). Auch bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften sind Kapitalanlageliegenschaften den Belegenheitskantonen objektmässig zuzuweisen (E. 4.1.5).

Eine Ausnahme vom Grundsatz der ausschliesslichen Besteuerung von Liegenschaften durch den Belegenheitskanton soll nach der Rechtsprechung Betriebsliegenschaften. Nach einer in Bezug auf Kapitalgesellschaften entwickelten Praxis ist bei Unternehmen, die ausserhalb des Sitzkantons Betriebsstätten unterhalten die Vermögens- bzw. Kapitalsteuer in jedem der Betriebsstättenkantone nur von einer Quote des gesamten Eigenkapitals zu erheben, die dem Verhältnis der Betriebsliegenschaften auf dem Kantonsgebiet und der sonstigen ihm örtlich und wirtschaftlich zugehörigen Vermögensobjekte (innerkantonale Aktiven) zu den gesamten Vermögensobjekten (Gesamtaktiven) entspricht (E. 4.2.1).

Die Beschwerdeführerin hält ausserhalb ihres Sitzkantons sowohl Kapitalanlage- als auch Betriebsliegenschaften. Für die Kapitalanlageliegenschaften ergibt sich, dass sie objektmässig dem jeweiligen Liegenschaftskanton zur ausschliesslichen Besteuerung zuzuweisen sind. Dieser muss die ihm zugewiesenen Kapitalanlageliegenschaften zum Verkehrswert bewerten (Art. 29 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 14 Abs. 1 StHG) (E. 4.3.1). Der Belegenheitskanton muss vom ihm zugewiesenen Bruttovermögen einen proportionalen Anteil der Schulden des Steuerpflichtigen zum Abzug zulassen. Um zu gewährleisten, dass der Steuerpflichtige sämtliche Schulden zum Abzug bringen kann, ist dieser Anteil von allen Liegenschaftskantonen einheitlich anhand der Repartitionswerte zu bestimmen (E. 4.3.1). Bei den bezweifelten kantonalen Veranlagungen wurden die Kapitalanlageliegenschaften nicht objektmässig zugewiesen. Stattdessen wurde das Bruttovermögen mit den Schulden verrechnet und das Reinvermögen mit den Repartitionsquoten multipliziert. Das BGr sieht diese Vorgehensweise für Vereine wie auch für Kapitalgesellschaften als fehlerhaft (E.4.3.2).

Gemäss BGr können bei einem Verein nur die Schulden, nicht aber das Bruttovermögen nach Repartitionsquoten verlegt werden. Kantone mit tiefen amtlichen Verkehrswerten würden andernfalls in einem ungerechtfertigten Mass an der Besteuerung realistisch bewerteter Liegenschaften anderer Kantone partizipieren (E.4.5.2). Es ist entscheidend, dass die Verteilung der Schulden auf Basis der Repartitionswerten erfolgt, und nicht gestützt auf die amtlichen Verkehrswerte. Die Verteilung der Aktiven ist jedoch basierend auf den amtlichen Verkehrswerten vorzunehmen (E.4.5.6).

Diese Zuteilungsnormen können dazu führen, dass einem Kanton mehr Schulden als Aktiven zugewiesen werden. Vorliegend ist dies beim Kt BL der Fall. Der Grund hierfür liegt bei den tiefen amtlichen Verkehrswerten des Kt BL. Gemäss BGr ist es ausgesprochen zweifelhaft, ob diese amtlichen Verkehrswerte von BL mit Art. 14 Abs. 1 StHG vereinbar sind. Von den anderen Kantonen kann gestützt auf Art. 127 Abs. 3 BV nicht verlangt werden, den Schuldenüberschuss vom Kt BL zu übernehmen, der aufgrund der fragwürdigen Bewertung der Liegenschaften entsteht. Daher liegt auch keine Schlechterstellung der Beschwerdeführerin gegenüber anderen Steuerpflichtigen vor, deren Liegenschaften sich in anderen Kantonen befinden (E.4.6).

iusNet StR 29.11.2021