Rechtsmittel gegen echte interkantonale Doppelbesteuerung
Rechtsmittel gegen echte interkantonale Doppelbesteuerung
Rechtsmittel gegen echte interkantonale Doppelbesteuerung
9C_674/2021
Die Eheleute A. und B. hatten steuerrechtlichen Wohnsitz in U. /ZH und meldeten sich dort vor Ende der Steuerperiode 2011 nach V. /GR ab. Im Kt. ZH blieben sie aufgrund Grundeigentums wirtschaftlich zugehörig.
In der Folge beanspruchte der Kt. GR die persönliche Zugehörigkeit zunächst für die Steuerperioden 2011 bis und mit 2014. Daraufhin erliess die KStV GR am 2. März 2017 die Veranlagungsverfügungen zur direkten Bundessteuer bzw. den Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden zur hier interessierenden Steuerperiode 2015. Die beiden Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.
Bereits mit Schreiben vom 22. November 2016 hatte der Kt. ZH die Steuerpflichtigen aufgefordert, Unterlagen einzureichen, um ihren Lebensmittelpunkt darzutun. Nach mehreren Korrespondenzen beanspruchte auch der Kt. ZH für die Steuerperiode 2015 die persönliche Zugehörigkeit der Eheleute. Am 16. Februar 2018 erliess das KStA ZH die Veranlagungsverfügung zu den Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich, während die direkte Bundessteuer unangesprochen blieb. Auch diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Aufgrund der nunmehr eingetretenen interkantonalen Doppelbesteuerung ersuchten die Eheleute am 26. März 2018 den Kt. GR um Revision der Veranlagungsverfügungen vom 2. März 2017 zur direkten Bundessteuer bzw. zu den Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden. Die KStV GR wies die Gesuche mit Entscheid vom 5. Februar 2021 ab.
Mit Eingabe vom 2. November 2021 unterbreiten die Steuerpflichtigen dem BGr eine als "Staatsrechtliche Beschwerde" bezeichnete Rechtsschrift. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und legen dar, dass das aus Art. 127 Abs. 3 BV hervorgehende verfassungsmässige Individualrecht der Behebung aller denkbaren Doppelbesteuerungen diene.
Auch auf dem Gebiet des Verbots der interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 127 Abs. 3 BV) sei der Instanzenzug in einem Kanton vollständig zu durchlaufen, ehe das BGr angerufen werden könne (Art. 86 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Abs. 2 BGG). Liege diese Voraussetzung vor, könne die steuerpflichtige Person zusammen mit dem noch nicht rechtskräftigen letztinstanzlichen Entscheid dieses Kantons auch die bereits rechtskräftige Veranlagungsverfügung oder den bereits rechtskräftigen Rechtsmittelentscheid eines weiteren Kantons bzw. weiterer Kantone anfechten, falls und soweit sie eine Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV rügen wolle. In Bezug auf diese rechtskräftigen Verfügungen und Entscheide erübrige sich die Letztinstanzlichkeit. Die Beschwerdefrist von 30 Tagen (Art. 100 Abs. 1 BGG) beginne insgesamt zu laufen, sobald in beiden (bzw. allen) Kantonen Entscheide getroffen worden seien, gegen welche beim BGr Beschwerde geführt werden kann (E. 2.3)).
Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die insofern nicht bestritten und daher für das BGr verbindlich seien (Art. 105 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG; vorne E. 1.2.3 und 1.3), würden in der streitbetroffenen Steuerperiode 2015 sowohl der Kt. ZH als auch der Kanton Graubünden die Steuerhoheit beanspruchen und die (alleinige) persönliche Zugehörigkeit der Steuerpflichtigen und damit deren unbeschränkte Steuerpflicht geltend machen. Die jeweiligen Veranlagungsverfügungen seien unangefochten in Rechtskraft erwachsen (E. 3.1).
Damit liege eine aktuelle interkantonale Doppelbesteuerung vor, die vor dem Hintergrund von Art. 127 Abs. 3 BV grundsätzlich nicht hingenommen werden müsse. Ebenso offenkundig sei indes, dass die im Bereich der interkantonalen Doppelbesteuerung herrschende besondere Rechtsmittelfrist insofern versäumt sei, als die Steuerpflichtigen davon abgesehen hätten, im zweitveranlagenden Kt. ZH einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid herbeizuführen, den sie vor BGr hätten anfechten können. Gegenteils hätten sie es vorgezogen, dem erstveranlagenden Kt. GR ein Revisionsgesuch zu unterbreiten, wenngleich sie - wie die Vorinstanz unwidersprochen feststellt - der Auffassung seien, die Sichtweise des Kt. ZH sei unzutreffend (E. 3.2).
Das BGr ist der Auffassung, wonach die interkantonale Doppelbesteuerung abzuwenden gewesen wäre, wenn nur eine sorgfältige Prozessführung vorgelegen hätte. Denn gemäss Art. 51 Abs. 2 StHG bzw. Art. 141 Abs. 2 StG GR gelte, dass die Revision ausgeschlossen sei, wenn die um Revision ersuchende Person als Revisionsgrund etwas vorbringt, das sie bei der ihr zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können. Die Begründung für diese gesetzliche Einschränkung sei darin zu finden, dass die Revision als ausserordentliches Rechtsmittel ausgestaltet sei. Die Revision greife gegenüber den ordentlichen Rechtsmitteln nur in zweiter Linie; sie sei subsidiärer Natur. Das Rechtsmittel der Revision stehe nicht zur Verfügung, um rechtskräftige Entscheide jederzeit infrage zu stellen oder frühere prozessuale Versäumnisse zu beheben; im Revisionsfall sei daher zu prüfen, ob unter den gegebenen Umständen das Revisionsgesuch dazu diene, den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen (E. 3.3.5)