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Spontanität als Voraussetzung einer straflosen Selbstanzeige

Spontanität als Voraussetzung einer straflosen Selbstanzeige

Rechtsprechung
Direkte Steuern

Spontanität als Voraussetzung einer straflosen Selbstanzeige

2C_113/2018

Die A AG bezweckt den Betrieb von Hotels und Restaurants sowohl als Gastronomiebetriebe als auch als Kurhäuser. Alleinaktionär der Gesellschaft sowie Präsident ihres Verwaltungsrats (im Folgenden VRP) ist B. Die KStV BE ersuchte B für die weitere Bearbeitung seiner persönlichen Steuerveranlagung 2005 um Übermittlung weiterer Belege und Auskünfte: 

  • die Bauabrechnung 2005 betreffend die von ihm ausgewiesenen Grundstücksunterhaltskosten für die in seinem Eigentum stehende Hotelliegenschaft C,
  • einen Auszug des Kontokorrentkontos lautend auf die A AG,
  • Angaben über den Guthabensstand bei einer Privatperson bzw. den Beleg für die Rückzahlung des betreffenden Darlehens. 

Im gleichen Schreiben bat KStV BE B, er möge seine persönliche Steuererklärung 2006 sowie diejenige der A AG bald möglichst einreichen, damit die ganze Steuersituation 2005 und 2006 rasch geklärt werden könne. Sie wiederholte ihre Bitte und drohte für den Fall des Nichteinreichens der Unterlagen eine Veranlagung nach Ermessen an. Darauf fand ein Treffen zwischen der Treuhänderin des Alleinaktionärs und der A AG einerseits und der KStV BE andererseits statt. Die A AG reichte über die Treuhänderin sodann eine berichtigte Steuererklärung und eine berichtigte Jahresrechnung für das Jahr 2005 sowie verschiedene damit konnexe Dokumente ein und teilte unter anderem mit, dass bei der A AG im "Betrieb C" zusätzlich CHF 235'000 Bruttoumsatz für das Jahr 2005 nachgebucht worden seien. 

Mit interner Meldung informierte die für die Veranlagung zuständige Einheit innerhalb der KStV BE die für Nachsteuern zuständige Einheit über einen Nachsteuerfall betreffend die A AG. Anlässlich der Überprüfung der Selbstdeklaration des Alleinaktionärs hätten sich Differenzen beim Vermögensvergleich ergeben. Aufgrund dieser Situation habe die Treuhänderin die Steuererklärung 2005 der A AG neu eingereicht. Daraus sei ersichtlich, dass die rechtskräftige Veranlagung der A AG auf einem zu geringen Umsatz basiere. Die A AG habe sich selbst angezeigt. Darauf wurde ein Nachsteuer- und Steuerstrafverfahren gegen die A AG eingeleitet. 

Die KStV BE setzte Nachsteuern und Bussen für die Steuerjahre 2003, 2004 und 2005 fest. Die dagegen erhobene Einsprache der A AG wies sie ab. Die StRK hiess den Rekurs und die Beschwerde teilweise gut. Abgewiesen wurden die Rechtsmittel, soweit sie die Bussen wegen vollendeter Steuerhinterziehung 2005 betrafen. Das VGr BE wies die Beschwerden der A AG schliesslich ab. 

Mit Beschwerde ans BGr beantragt die A AG die Aufhebung der Entscheide der Vorinstanz. Eventualiter seien die Bussen auf die Hälfte der hinterzogenen Steuer herabzusetzen.

Obschon sich der Sachverhalt vor Inkrafttreten von Art. 181a DBG zugetragen hat, beurteilt die Vorinstanz und auch das BGr den Fall nach neuem Recht, da dieses für die A AG milder ist (Grundsatz der lex mitior) (E. 2.1 und E. 2.2).

Umstritten ist primär, ob die A AG die Voraussetzungen einer straflosen Selbstanzeige nach Art. 181a Abs. 1 DBG erfüllte und deshalb von einer Strafe abzusehen ist. Aus Art. 181a Abs. 1 DBG sei nämlich nicht zu entnehmen, dass die Selbstanzeige aus eigenem Antrieb erfolgen müsse (E. 3.1).  

Nach dem Leiturteil des BGr zu Art. 13 VStrR erfolgt die straflose Selbstanzeige nur dann aus eigenem Antrieb, wenn sich der Täter aus Reue anzeigt (BGE 119 IV 330 E. 4) (E. 3.2).

Eine Steuerhinterziehung muss spontan angezeigt werden, um strafbefreiende Wirkung zu entfalten. Sind die Steuerbehörden bereits am Untersuchen und muss der Pflichtige nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgehen, dass die Steuerbehörden die Steuerhinterziehung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch ohne Anzeige von sich aus entdecken werden, geht der Anzeige einer Steuerhinterziehung diese Spontanität ab (vgl. Urteile 2C_370/2019 vom 19. September 2019 E. 5.4.2) (E. 3.3).

Das BGr geht davon aus, dass die KStV BE aufgrund der eingeforderten Dokumente, insbesondere der Baukostenabrechnung, und Informationen von sich aus zu Tage gefördert hätte, dass B die Rechnungen zum Teil mit Barmitteln aus der Kasse der A AG beglichen und die A AG die zugrundeliegenden Restaurationsumsätze nicht deklariert hatte (E. 3.4). Da B Alleinaktionär und VRP ist, wird der A AG dessen Wissen zugerechnet. Demnach musste die A AG davon ausgehen, dass die KStV BE die hinterzogenen Umsätze auch ohne Anzeige entdecken würde (E. 3.4). Die Vorinstanz hat deshalb nach Auffassung des BGr der Eingabe der Treuhänderin zu Recht den Charakter einer Selbstanzeige im Sinne von Art. 181 Abs. 1 Ingress DBG abgesprochen (E. 3.5).

Eventualiter beantragt die A AG, dass die Busse auf die Hälfte der hinterzogenen Steuern reduziert werde, da ihr Verschulden nur leicht wiege (E. 4.1).

Für die Strafzumessung stellt Art. 175 Abs. 2 DBG auf den Betrag der hinterzogenen Steuer ab (Regelstrafmass). Je nach Verschulden ist dieser Betrag bis auf einen Drittel zu reduzieren oder bis zum Dreifachen zu erhöhen. Nach Art. 12 Abs. 2 StGB handelt vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt, wobei es genügt, wenn er die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (sog. Eventualvorsatz; BGE 138 V 74 E. 8.2) (E. 4.2.2). 

Ob die Strafe zu schärfen oder zu mildern ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln des StGB (Art. 106 Abs. 3 und Art. 47 ff. StGB; BGE 144 IV 136 E. 7.2.2). Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere der hinterzogene Betrag, die Vorgehensweise, die Beweggründe sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Täters (E. 4.2.3).

Nach Auffassung des BGr hatte der VRP Gewissheit über den Eintritt der Steuerverkürzung bei der Beschwerdeführerin als logische Folge seines Verhaltens. Somit handelte er nicht bloss mit Eventual-, sondern mit direktem Vorsatz (zur Unterscheidung vgl. BGE 129 IV 230 E. 5.2). Die Beschwerdeführerin hat sich den Vorsatz ihres VRP zurechnen zu lassen (vgl. oben E. 4.2.1) (E. 4.3).

Die A AG bringt keine Tatsachen vor, die eine Strafmilderung unter das Regelstrafmass begründen könnten. Solche sind denn auch nicht ersichtlich. Das Urteil der Vorinstanz ist somit auch hinsichtlich der Strafzumessung nicht zu beanstanden (E. 4.4).  

Die Regelungen des StHG zur straflosen Selbstanzeige juristischer Personen (Art. 57b Abs. 1 StHG), zur Strafbarkeit juristischer Personen für Steuerdelikte (Art. 57 Abs. 1 StHG) und zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung (Art. 56 Abs. 1 StHG) entsprechen in allen relevanten Teilen jenen des DBG. Da sich die Rechtslage nach Steuerharmonisierungsgesetz somit mit jener bei der direkten Bundessteuer deckt, kann insoweit auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden (E. 5.1).

Die Beschwerde wird betreffend die direkte Bundessteuer 2005 abgewiesen. 

iusNet StR 06.02.2020